Inhalt: Was ist Krieg? Wie beginnt Krieg? Welche Farben zeichnet den Krieg aus? Ein zum Nachdenken anregendes Bilderbuch für junge Menschen und Erwachsene über das Ausmaß von Krieg. Rezension des Bilderbuches: Die Farben und Gefühle von Krieg in großformatigen Bildern Ganz langsam, fast unbemerkt schleicht sich Krieg ein, um schnell vorzudringen. Hoffnungslosigkeit, Ängste, Wut, Zerstörung und Vermassung, Entindividualisierung - alles verdüsternd: So zeigt sich Krieg. Jose Jorge und André Letria, Vater-und-Sohn-Gespann, machen sich mit ihrem Bilderbuch zur Aufgabe, Krieg mit Bildern und Worten zu fassen. In kurzen Sätzen, die alle formelhaft mit "Der Krieg..." beginnt, charakterisieren sie den Krieg, sein martialisch-zerstörerisches Wesen. Dabei personifizieren sie den Krieg. Eigentlich ein abstrakter Begriff taucht er in diesem Bilderbuch als schemenhaftes Wesen auf. So heißt es, der Krieg dringt in den Schlaf der Unschuldigen ein. Oder: "Der Krieg weiß, wo man sich vo...
Interview mit Dr. Simone Ehmig, Stiftung Lesen: "Wir brauchen eine Bewegung für das Lesen, die alle ins Boot holt."
Die Stiftung Lesen engagiert sich seit 1988 in der Leseförderung. Welche Projekte sind am bekanntesten und erfolgreichsten?
Mit hoher öffentlicher Sichtbarkeit agiert die Stiftung Lesen erfolgreich und nachhaltig mit einer Vielzahl von Programmen, die Kinder von Anfang an begleiten und sie in unterschiedlichen Kontexten ansprechen. Besonders wichtig ist „Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen“. Das bundesweite Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sensibilisiert, motiviert und aktiviert Eltern zum Vorlesen und Erzählen. Ältere Kinder und Jugendliche finden in „Leseclubs“ außerunterrichtliche Lernumgebungen, in denen sie sich regelmäßig treffen, um gemeinsam zu lesen, zu spielen und mit verschiedenen Medien kreativ zu sein. Lesebegeisterte Kinder und Jugendliche engagieren sich als „Lesescouts“ und vermitteln jüngeren Mitschüler/innen Lesemotivation und Lesefreude.
Auf eine große öffentliche Aufmerksamkeit für die
Notwendigkeit einer möglichst frühen und umfassenden Leseförderung zielen der
Welttag des Buches am 23. April und der Bundesweite Vorlesetag am dritten
Freitag im November. Durch Kooperationen mit McDonalds („Bücher im Happy Meal“) oder Aldi Süd tragen wir dazu bei, dass
Kinder und ihre Eltern Lesestoffe an Orten vorfinden, zu denen Familien
regelmäßig kommen, dort aber keine Bücher erwarten. So bringen wir das Lesen in
die Lebenswelten hinein, machen es zum Gesprächsthema und wecken Lust auf mehr
– das kann leseferne Familien dazu bringen, im nächsten Schritt eine Bibliothek
oder eine Buchhandlung zu besuchen.
Was macht eine
nachhaltige Leseförderung aus?
Leseförderung ist im Idealfall bei jedem einzelnen Kind,
Jugendlichen und Erwachsenen individuell nachhaltig, indem sie einen Zugang zum
Lesen schafft, Lesefreude weckt und darüber Lesepraxis anstößt, die wiederum
Lesekompetenz fördert. Ein Paradebeispiel für einen solchen Impuls stellt das Vorlesen
dar. Es bildet die Grundlage für Lesemotivation und das spätere eigene Lesen
der Kinder, die nachhaltig für ihren Schulerfolg und ihr Interessenspektrum
profitieren. Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, entwickeln sich zu
besonders fröhlichen, selbstbewussten, emotional starken, empathischen,
solidarischen und engagierten Persönlichkeiten. Sie haben beste
Voraussetzungen, später in Beruf und Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.
Weil jeder Einzelne davon profitieren kann, bedeutet
nachhaltige Leseförderung darüber hinaus, den Teufelskreis aus familiären
Bildungsvoraussetzungen und späteren eigenen Bildungschancen zu durchbrechen. Vom
Vorlesen und Erzählen profitieren Kindern unabhängig davon, welchen
Bildungsgrad ihre Eltern haben. Somit können Eltern unabhängig von ihrer
eigenen Bildung und ihrem sozialen Status über das Vorlesen einen Impuls
setzen, der ihre Kinder stärkt und fördert. In Kurzform bedeutet dies: Jedem
Kind jeden Tag 15 Minuten vorlesen!
Trotz zahlreicher
Initiativen und Projekte auf kommunaler oder privater Ebene gerät das Lesen im
Kindes- und Jugendalter gegenüber anderen Freizeitangeboten ins Hintertreffen.
Was sind die Ursachen dafür? Wie kann man den Gründen besser begegnen?
Die Aussage ist so nicht korrekt. Bei Kindern und Jugendlichen
sind die wichtigsten Freizeitaktivitäten immer noch das Spielen und die
Begegnung mit Gleichaltrigen. Lesen wird auch nicht durch „konkurrierende“
(digitale) Medien verdrängt: Der Anteil der Kinder, Jugendlichen und
Erwachsenen, die täglich oder mehrmals in der Woche lesen, ist seit Ende der
neunziger Jahre absolut stabil. Dennoch haben wir aber ein Problem mit zwei
Facetten: Erstens erfährt ein beträchtlicher Teil der Kinder und Jugendlichen
keine ausreichende Lesesozialisation in ihren Familien. Jedem dritten Kind in
Deutschland lesen die Eltern nicht vor. Viele Eltern sind selbst keine
Lesevorbilder. Der Mangel an motivierenden Impulsen ist einer von zahlreichen
Gründen für das zweite Problem: In Deutschland leben mehr als 7,5 Millionen
Erwachsene, die nicht richtig lesen (und schreiben) können – ihnen fehlen also elementare
Zugangsvoraussetzungen. Dabei bildet
funktionaler Analphabetismus ein nachwachsendes Problem: Die neueste
PISA-Studie identifizierte Leseschwierigkeiten bei 16,2 Prozent der 15-Jährigen
in Deutschland. Ähnliche Zahlen zeigen Studien für jüngere Schüler/innen in
Grundschulen. Hier zeigt sich der erwähnte Teufelskreis, den nachhaltige
präventive Leseförderung durchbrechen will.
Brauchen wir mehr
Leseförderung, also quantitativ, oder eine andere Art der Leseförderung, um das
Lesen bei den Kindern und Jugendlichen wieder beliebter zu machen? Wie würde
letzteres aussehen?
Das Lesen ist nicht unbeliebter geworden. Ein beträchtlicher
Teil der Kinder und Jugendlichen findet aber von klein auf keinen Zugang dazu.
Die negativen Konsequenzen betreffen primär jede/n Einzelne/n. Sie sind im
zweiten Schritt relevant für unser Bildungssystem (Schulabgänger ohne
Abschluss), den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt (qualifizierte Auszubildende und
Fachkräfte) und besitzen volkswirtschaftliche Implikationen. Mit Lesen fängt
alles an – deshalb gehen Lesen und ausreichende Lesekompetenzen alle etwas an.
„Mehr Leseförderung“ bedeutet in diesem Sinne eine gesamtgesellschaftliche
Anstrengung aller relevanten Akteure. Die Bedeutung von Lesen und von
Leseförderung muss auf politischer und gesellschaftlicher Ebene noch stärker
präsent werden – deshalb Aktionstage und Kampagnen, die Politiker, Unternehmen
und Prominente öffentlich für das Lesen werben und für Leseförderung eintreten
lässt. Deshalb aber auch das Engagement von Erzieher/innen, Lehrkräften und
zahllosen Ehrenamtlichen, die z. B. Kindern vorlesen, deren Eltern es nicht
tun. Wir brauchen eine Bewegung für das Lesen, die alle ins Boot holt.
Mädchen lesen (fast)
alles, Jungs hingegen nur ausgewähltes. Benötigen wir eine
geschlechterspezifische Leseförderung und wie würde sie aussehen?
Ein Großteil der Jungen wachsen mit nahezu ausschließlich
weiblichen Lesevorbildern und –akteuren auf (Mütter, Erzieherinnen, Grundschul-
und Deutschlehrerinnen). Väter lesen seltener in (unterhaltenden) Büchern, sie
lesen seltener vor, sie ergreifen seltener erzieherische Berufe. Als Lehrkräfte
repräsentieren sie überdurchschnittlich mathematisch-naturwissenschaftliche
Fächer. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, Angebote zu machen, die das
Lesen „entweiblichen“, männliche Akteure einbinden (z. B. Sportler als
Lesebotschafter) und Themen aufgreifen, die Jungen (auch) interessieren. Solche
Angebote sollten Geschlechterdifferenzen nicht vertiefen, sondern attraktive
Angebote bereitstellen und Impulse geben, die einen Zugang ermöglichen und
somit der Geschlechterdifferenz im Zugang zum Lesen entgegenwirken.
Selbstverständlich sollten Angebote der Leseförderung und Leseempfehlungen aber
immer für alle Kinder und Jugendlichen offen und zugänglich sein.
Deutschland hat 7,5
Mio. Erwachsene, die laut LEO-Studie von 2011 funktionale Analphabeten sind.
Beschränkt sich die allgemeine Sicht auf Leseförderung zu sehr auf die Jugend?
Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Es ist wichtig, dass
Erwachsene, die nicht richtig lesen und schreiben können, diese Fähigkeiten
aufholen. Darin darf sich Alphabetisierung und Grundbildung aber nicht
erschöpfen. Langfristig wird sich der Anteil leseferner und -schwacher Personen
nur verringern lassen, wenn in den nachwachsenden Generationen Kinder und
Jugendliche in ausreichendem Maße Lesemotivation und Lesefreude entwickeln,
einen Zugang zum Lesen auf allen Trägermedien erhalten und Lesekompetenz erwerben.
Es gilt also, den erwähnten Teufelskreis dauerhaft zu durchbrechen. Hierzu
brauchen wir nachholende und präventive Ansätze gleichermaßen.
Wann haben wir das
Ziel Leseförderung erreicht?
Wenn Lesen Teil jeder Kindheit und Jugend geworden ist und
damit alle die gleichen Chancen haben.
Herzlichen Dank für das Interview, Frau Dr. Ehmig. Ich wünsche der Stiftung Lesen noch viele kreative Ideen für die Leseförderung, die im besten Fall Lesen Teil jeder Kindheit und Jugend werden läßt!
Kommentare
Von der Lesestart-Aktion haben wir auch schon profitiert, allerdings erst bei der zweiten Stufe. Beim Kinderarzt bekommt man hier leider nichts. Sehr gut finde ich, die Kooperationen mit Aldi-Süd und McDonalds, auch wenn ich selbst nicht gerne zu McDonalds gehe, aber hier erreicht man vielleicht auch die Menschen, die nicht in eine Bücherei o.ä. gehen. Hier sehe ich nämlich auch ein bisschen das Problem der zweiten Tasche. Die Menschen, die damit in erster Linie erreicht werden sollen, gehen ja gerade nicht in die Bücherei. Bei uns werden dann aber die Taschen über den Kindergarten ausgegeben, was ich eine gute Lösung finde. Noch besser wäre es, wenn der Kindergarten mit den Kindern dafür in die Bücherei gehen würde.
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