Über ein besonderes Mädchen und eine Freundschaft: Kinderbuch ab 7 Jahre "Fränze Knoof und der Hund mit den gelben Streifen"

Inhalt: Franziska alias Fränze hat es nicht einfach: Sie wird von ihren Mitschülern gehänselt und gemobbt. Am letzten Schultag jagen einige Jungs aus ihrer Klasse. Fränze rettet sich in einen Müllcontainer und erspürt im Dunklen etwas Weiches und Lebendiges. Sie weiß sofort: Das ist ihr kleiner Hund, den sie sich schon immer gewünscht hat! Das Tier lenkt sie von ihrem Kummer ab. Als Fränze ihren neuen Freund in einer nächtlichen Aktion verliert und es nicht wieder auftaucht, ist das Mädchen verzweifelt. Zusammen mit ihrer Familie setzt Fränze alle Hebel in Bewegung, um es wiederzufinden. Rezension des Kinderromans: Eine sanfte Geschichte über ein besonderes Mädchen Ein Mädchen mit rotblonden Haaren lächelt und schaut über die Schulter. Sie hält ein Tier auf dem Arm, von dem wir nur den Schwanz und eine Ohrspitze erkennen können. Kuhkälber laufen von rechts ins Bild herein. So begrüßt das Cover des Kinderbuches "Fränze Knoof und der Hund mit den gelben Streifen" seine Leser. K

KJL-Theorie: Räumlichkeiten als Zugang fürs poetische Konzept

Heute stöberte ich kurz in einem Heft von kjl & m (Kinder-/Jugendliteratur und Medien in Forschung, Schule und Bibliothek). Es ist ein Fachjournal für Kinder- und Jugendliteratur, daß von AJuM herausgegeben wird. Jedes Heft steht unter einem Thema, in dem entsprechend der Ausrichtung fachwissenschaftliche Beiträge und Artikel zu finden sind. Da ich von meiner Ausbildung her Wissenschaftlerin bin, mag ich als Weiterbildung solche Artikel gerne lesen. Dort finde ich immer wieder interessante literaturwissenschaftliche Ausführungen, so wie der Artikel von Melanie Wigbers über ""Betreten für Urwaldzwerge verboten!" Zur Bedeutung der Handlungsräume in Cornelia Funkes Kinderbuchreihe Die Wilden Hühner" (kjl & m 61 (2009), S. 65-75).
Ausgehend von Jurij Lotmans Theorie untersucht sie die Wilden Hühner nach der Handlungsdimension und Bedeutung von Räumlichkeiten. So mag ihr Beitrag sehr literaturwissenschaftlich-theoretisch ausgelegt sein. Jedoch ist er sehr erhellend, auch dank ihres guten Schreibstils. Ich stelle nun zusammenfassend ihre Beobachtungen vor.

Jurij Lotman stellte die Theorie auf, daß man das poetische Konzept (beispielsweise Spannungsbogen, Gegensätze zwischen den Figuren etc.) eines Kinderbuches aus den erwähnten Räumlichkeiten ableiten kann. Unter Räumlichkeiten meint er tatsächlich den Ort des Geschehens. In wenigen Fällen ist er tatsächlich sehr konkret benannt, kaum wird eine reale Stadt/Dorf zu einem Handlungsort in einem KJL-Buch (Kinder-/Jugendliteraturbuch). Im Gegenteil: meist wird der Ort nur angedeutet oder setzt sich aus diversen Teilen zusammen. Hier spielt die künstlerische Freiheit des Autors eine große Rolle.
Unbedeutend ist die Raumgestaltung jedoch nicht. Vielmehr nutzt der Autor ihn als Folie um Spannungen aufzubauen, Emotionen zu transportieren, ein bestimmtes Bild beim Leser zu generieren oder als Mittel, den Plot voranzutreiben.

Räumlichkeiten als Mittel des Spannungsaufbaus


Im obigen Aufsatz wurde die Lotman-These anhand der Wilden Hühner überprüft. Die Mädchenbande Wilde Hühner stehen im Gegensatz zu der Jungsband Pygmäen. Jede Bande sucht für sich ein Hauptquartier, zu dem nur die Bandenmitglieder Zugang haben. Gleichzeitig versuchen die Banden, gegenseitig auszuspionieren, in die Hauptquartiere einzudringen. Ganz klar geht es hier um Grenzziehung und Grenzüberschreitung, um Ausprobieren und Abgrenzen. Der gesamte Plot ist darauf ausgerichtet. Der Ort dient also als literarisches Handwerksmittel der Spannungserzeugung. Nicht nur bei Kinderbanden funktioniert so der Ort, auch bei den diversen Internatsbüchern ist es so.

Räumlichkeiten als Identifikationsmittel

Eine weitere Funktion der Räumlichkeit für das poetische Konzept ist seine festigende Wirkung. Über den Ort erfahren die Figuren ihre Identifikation. Sei es das Zuhause als Ausgangspunkt für ihre Abenteuer oder als Rückzugsort. Sei es das Hauptquartier wie bei den Wilden Hühnern als identifikationsstiftendes Element für die Bandgründung. Ohne den Raum gäbe es die Figur in ihrer Form nicht.
Gleichzeitig bekommen die Leser ein konkretes Mittel, den Ort sich vor Augen zu führen und sich so gleichzeitig mit den Figuren zu identifizieren.

Räumlichkeiten als Transportmittel für Emotionen

Welches Gefühl kommt in Ihnen auf, wenn sie Kullerbü hören? Ganz genau. Es ist dieses heimelige, das Paradies der Kinder auf Erden. Ganz bewußt transportiert Astrid Lindgren mit der Raumgestaltung der Kullerbü-Bücher eine Grundstimmung für den Leser - hier im positiven Sinne. Im gleichen Sinne sind beispielsweise Verstecke gemeint: bei den Wilden Hühnern ist das Baumhaus der Jungen ein Symbol für einen sicheren Zufluchtsort für Willi, der sich vor seinem gewalttätigen Vater flüchtet. Hier bedarf es keine großen Worten. Nein, vielmehr reicht eine kurze Bemerkung, um über die Räumlichkeite prägnant eine Emotion zu transportieren.

Räumlichkeiten als Werkzeuge für Themen

In Dorothea Flechsigs Reihe Sandor (Glückschuh-Verlag) wechselt der Ort von Band zu Band. Zugleich steht jedes Buch für ein bestimmtes Thema: sei es die Fledermaus an sich, sei es die Vorstellung von Transilvanien. Bewußt nutzt die Autorin den Ort als Werkzeug, ihr Thema zu erzählen. Ohne die bestimmte Auswahl der Räumlichkeit würde der Plot nicht funktionieren.

Die Gestaltung eines Raumes ist nicht nur ein Teil des Hintergrundrauschens in einem Buch. Nein, der Ort trägt wesentlich zum Plot bei. In ihm bewegen sich nicht nur die Figuren, mit ihm werden Gefühle, Spannungen, Identifikationen und Themen transportiert. Oder anders ausgedrückt: rückt ein Autor einen Raum bewußt in den Vordergrund, dann will er uns mehr zwischen den Zeilen sagen. Hören wir das nächste Mal genauer hin.

Kommentare

  1. Sehr interessant! Darüber habe ich mir ehrlich gesagt kaum Gedanken gemacht, aber von nun an wird meine Aufmerksamkeit sicherlich mehr darauf gelenkt werden.
    Übrigens meinst du wohl die "Bullerbü"-Bücher von Astrid Lindgren, oder?

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    1. Öhm, ja, wie komme ich jetzt auf Kullerbü? *kopfkratz*

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    2. Ich dachte erst, dass wäre ein besonderer Trick: Dass man quasi selbst bei Veränderungen des Wortes ein Kindheitsparadies vor Augen hat.

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