Bilderbuch zur Stärkung des Selbstbewusstseins ab 5 Jahre: Dagmar Geisler - Mein Körper gehört mir

Inhalt:
Clara mag Berührungen, sie mag kuscheln. Aber nicht von jedem und überall. Wie kann sie gut ja oder nein zu Berührungen sagen?

Rezension zum Kinderbuch:
Seit mehr als 3 Jahrzehnten publiziert Dagmar Geisler Bilder- und Kinderbücher zu pädagogisch anspruchsvollen Themen wie Mitgehen mit Fremden, Trennung und Scheidung, Körperwahrnehmung und gilt als erfolgreiche Kinderbuchautorin dazu. Vor 25 Jahren erschien das Bilderbuch "Mein Körper gehört mir" das erste Mal. Nun liegt es in einer Jubiläumsausgabe im Loewe Verlag vor, der das Buch gemeinsam mit profamilia Darmstadt aktualisiert und neu herausgegeben hat.
Berührungen gehören zum menschlichen Umgang dazu. Der Handschlag ist eine Begrüßungsgeste zwischen zwei Fremden, die im europäischen Kulturkreis Tradition ist. Eigentlich gilt der Grundsatz, je näher man sich ist, desto näher ist die Berührung. Nur bei Kindern scheint dieser Grundsatz ein wenig aufgehoben zu sein. Es ist -  meist ohne böse Absicht - üblich, auch fremden Kinder über den Kopf zu streicheln oder in den Arm zu nehmen. Doch wie sieht das Kind diese Berührungen? Angenehm? Gewollt? Unangenehm? Hier setzt Dagmar Geisler mit ihrem Bilderbuchklassiker an.
"Mein Körper gehört mir" ist ein wichtiger Grundsatz, den wir Kindern beibringen sollen. Er ist wichtig, sich selbst gut wahrzunehmen. Er stärkt das eigene Selbstgefühl und Selbstbewußtsein und schützt so eher vor Mißbrauch. Doch wie bringt man jüngeren Kindern dieses wichtige Thema gut näher? Dagmar Geisler versucht es mit ihrem Kinderbuch "Mein Körper gehört mir.", das Kindern ab 5 Jahren empfohlen wird.

Klare Aussagen

In dem Bilderbuch erzählt Dagmar Geisler keine Geschichte, sondern sie formuliert Aussagen mit der Hauptfigur Clara. Um ihre Kraft zu verstärken, nutzt sie die Ich-Form - so als würde Clara selber sprechen. Clara sagt sehr deutlich, welche Berührungen sie mag - das Kuscheln mit Oma oder Papa. Jedoch gegen Berührungen, die ihr unangenehm sind, wehrt sie sich: das Anfassen durch Fremde, das Abschlecken im Gesicht durch einen fremden Hund, festgehalten zu werden usw. Mit den Gegensatz macht Dagmar Geisler die Unterscheidung zwischen vom Kind als angenehm empfundenen und damit auch gewollten Berührungen und ungewollten, ablehnenden. Für die Leser ist diese klare Unterscheidung sehr wichtig, um eine Ordnung für sich selbst zu schaffen: was mag ich, was mag ich nicht und - die Hauptaussage - Wehren ist richtig und sinnvoll. Wenn das Kind sich nicht alleine wehren kann, dann soll es wie Clara sich Hilfe von einem vertrauten Erwachsenen holen. Dies ist die zweite wichtige Botschaft für den jungen Leser: es ist keinesfalls allein, es gibt immer eine beschützenden Erwachsenen.

In der Jubiläumsausgabe hat Dagmar Geisler den Inhalt um moderne Elemente ergänzt. Clara stößt auf sie verstörenden Inhalt, das sie über Smartphone oder Computer sieht. Was genau sie sieht, wird nicht gezeigt. Doch auch hier gilt: wenn man etwas sieht, was einen verstört, soll man nein sagen und sich wehren. Angesichts des möglichen Zugangs von jungen Kindern zu sexuellen und gewalttätigen Inhalten per Internet ist diese Erweiterung sinnvoll und richtig.
Mit klaren Bildern von der Autorin selber punktet das Buch auch im Bildteil. Immer steht Clara und ihre Interaktion mit anderen Menschen im Vordergrund. Details sind nur soweit vorhanden wie nötig. Durch die ausdrucksstarke Mimik, Gestik und Körperhaltung der Figuren können die jungen Leser sich den Inhalt auch gut selbst erschließen.

Zwei Kritikpunkte

Leider hat das Buch aber auch seine Schwächen. Ein wenig schematisch nach alten Mustern sind die Erwachsenen dargestellt, die Clara nicht mag oder von denen sie nicht berührt werden möchte - meist Männer. Hier hätte auch ein Beispiel mit einer fremden Frau die Kernaussage des Buches unterstützt. Daß Mißbrauch in den allermeisten Fällen in der Familie und nicht allein durch Männer stattfindet, wird nicht ganz klar. Natürlich ist es schwierig, kindgerecht einerseits das Vertrauensverhältnis zu den Eltern im Buch zu bewahren, andererseits dem Kind klar zu machen, daß es sich auch gegen ungewollte Berührungen durch die Eltern wehren kann.
Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf die Erweiterung. Hier wechselt Dagmar Geisler die Erzählform vom Ich zum Du. Dieser Bruch behindert den Lesefluß und ist völlig unnötig.
Als Zusatz ist eine Körperkarte dem Buch beigegeben. Doch auch hier ist die Erläuterung unzureichend. Schließlich ist der Satz - "deinem Körper Beachtung zu schenken und zu spüren, wie er sich anfühlt, was er mag oder was er nicht mag" - fehlerhaft. Er klingt so, als wäre der Körper vom Kind eigenständig. Es ist das Kind als Person, die Berührungen fühlt und einordnet.
Im Bilderbuch "Mein Körper gehört mir" spricht Dagmar Geisler die wichtigen Themen Körperwahrnehmung und Selbstbewußtsein an. Die Grundaussage trifft sie richtig und setzt sie im Großen und Ganzen gut um. Doch in den Feinheiten, die das Bild rund machen, hapert es. Letztlich ist das Kinderbuch als Prävention gedacht, die das Glück haben, noch keine negativen Erfahrungen oder gar Mißbrauch erfahren zu haben und vertraute Erwachsene, die ihnen früh genug den Rücken stärken. Da wäre das Alter von 3 bis 4 Jahre eher geeignet. Für diese Kinder ist aber das Bilderbuch teilweise noch unverständlich. Kurzum für den ersten Baustein ist das Bilderbuch gut geeignet, für weitere Schritte braucht es Ergänzungen.

Bibliografische Angaben zur Kinderbuch-Besprechung:
Dagmar Geisler - Mein Körper gehört mir. Schutz vor Mißbrauch für Kinder ab 5 Jahre
Loewe Verlag, Bindlach 2019, in Zusammenarbeit mit profamilia Darmstadt
ISBN: 978-3743203013
Illustration: Dagmar Geisler
Ausstattung: 40 Seiten, Hardcover
Preis: 12,95 €
Vom Verlag empfohlenes Lesealter: ab 5 Jahre

Direkt beim Loewe Verlag bestellbar oder überall im Buchhandel erhältlich.

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