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Warum darf ein Kinderbuch nicht einfach ein Kinderbuch sein?

Da ist sie wieder. Da guckt die politische Korrektheit um die Ecke. Und ich stöhne nur noch auf. Gestern stieß ich beim Durchforsten meiner Webfilterblase zufällig auf den Artikel von Sandra Garbers in der Berliner Morgenpost, in dem sie sich über Rollenklischees in Kinderbüchern ausläßt. Genauer genommen über die in Kinderbüchern dargestellte Rolle der Frau. Da spannt sie munter den Bogen von der Langweiligkeit der Figuren bis zur Gehirnwäsche:
Noch schlimmer als die Langeweile ist aber das Frauenbild, das den Kindern in vielen, angeblich modernen Büchern vermittelt wird. Macht es Mama Lausemaus Spaß zu arbeiten? Freut sie sich darauf, auch mal andere erwachsene Menschen zu treffen, um über erwachsene Dinge zu reden? Oder hat sie sogar so etwas wie eine Karriere? Nein. Mama Lausemaus geht nur arbeiten, weil das Geld nicht reicht, das Papa Lausemaus mit nach Hause bringt. Deshalb ist sie gezwungen, arbeiten zu gehen. Leider, Leo Lausemaus, denn Mama würde viel lieber zu Hause Kakao kochen. Immerhin besser als Bobo, dessen Mutter tatsächlich den ganzen Tag nur kocht und wäscht, Kakao kocht, tröstet und dessen Vater, dieser Langweiler, grundsätzlich schläft oder nicht gestört werden will beim Zeitunglesen. Desperate Housewifes schon für die Kleinsten. Oder, anders gesagt: eine perfide Form der Gehirnwäsche.
Zum Schluß kommt sie zur Erkenntnis, daß diese angebliche Gehirnwäsche sehr gut bei ihrer Tochter funktioniert, die ihr gegenüber behauptet, Papa würde besser einparken.
Am Ende des Artikels wußte ich nicht so recht, ob er ironisch oder ernst gemeint sei. Wäre er ersteres, würde ich sagen, daß die Ironie nicht so recht rüberkommt. Wäre er letzteres, dann... stöhne ich auf.


Warum müssen Kinderbücher immer politisch korrekt sein? Und welche politische Korrektheit ist dann richtig korrekt? Warum können Kinderbücher nicht einfach den Kindern so gefallen, und würden sie noch so sehr voller Bullerbü strotzen?

Ja, ich mag Bullerbü-Kinderbücher. Ja, ich mag diese niedlichen Hasenbücher, hübsch gezeichnet, in denen menschliche Handlungen widergespiegelt werden. Ja, diese Bücher wie "Hanni und Nanni" hatte ich schon gerne als Kind gelesen. Mir war es damals wurscht bzw. ging mir sehr auf die Nerven, wenn ich in meinen Büchern Probleme der Erwachsenen wälzen durfte, so aufoktroyiert und ja schön pädagogisch wertvoll, eben politisch korrekt. Und so geht es mir heute noch.

Ich habe nichts gegen Kinder- und Jugendbücher, die bestimmte Themenfelder wie Scheidung, Krankheit etc. ansprechen. Wenn sie für die Zielgruppe, also für die Kinder und Jugendlichen gemacht sind, und nicht als Kinder- oder Jugendbücher getarnte, gewissensberuhigende, letztlich die Eltern ansprechende Bücher sein sollen, dann ist es gut, wenn es sie gibt. Daneben soll, darf und muß es eben auch die Bullerbü-Bücher geben, die zum Träumen, zum Lesen, zum Abschweifen in die Fantasiewelt, zum Entspannen. Und da ist es wurscht, ob die Mutter "nur" Hausfrau ist, die Eltern seit 15 Jahren glücklich miteinander verheiratet sind und eine Scheidung auch nicht in den nächsten 20 Jahren zu erwarten sind und eben kein Geschwisterkind unbedingt als "Quote" (oh du böses Wort) behindert ist.

Was ich jedoch gar nicht mag, sind politisch getrimmte Kinder- und Jugendbücher, denen man den Zwang, die Ausrichtung auf die Erwachsenen, die Nichtbeachtung der eigentlichen Zielgruppe sofort anmerkt. Kinder bekommen allein durch die Bücher keine Gehirnwäsche, wie Sandra Garbers meint. Sie leben mit uns in einer Familie, dort lernen sie im Alltag unsere Wertvorstellungen, unsere Ideen kennen, übernehmen sie oder entscheiden sich später anders.

Nochmals: Kinder- und Jugendbücher sind für Kinder und Jugendliche da, nicht für uns Erwachsene. Punkt.

Kommentare

  1. Oh je.
    Politisch getrimmt sind Kinder nicht erst, wenn versucht wird, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten mittels Alternativen aufzuheben, was erfreulicherweise auch schon bei Kindern möglich ist. Auch ein unkorrektes oder, wie es hier ja implizit dargstellt wird, unpolitisches Buch zeichnet ein Gesellschaftsbuild, ist also implizit politisch. Die Debatte versucht nur, das zu explizieren und die wenig diskutierte Politik in Kinderbüchern als Gesellschaftsbild, das vorherrscht, über das abeer nicht gesprochen wird, oder dem dann wie hier, ein explizites Denk- und Diskussionsverbot auferlegt werden soll, zu thematisieren.
    Kindern reflektieren nämlich sehr wohl die bekloppte Familienstruktur im Buch, wo Papa immer malochen (=nicht zuhause) und Mutti immer da seiende Ansprechpartnerin bleibt. Dass das nicht mehr zeitgemäß ist und Kindern eine (1!) Lebensperspektive als die einzig möglich (ist ja dann überall nachzulesen) verkauft, wird, versucht aufzuheben. Das bezeichnest Du vielleicht als politisch korrekt und die Frage, welche Korrektheit die korrekte ist, mag Dich intellektuell überfordern, aber dann ist es vielleicht an der Zeit, die Kullerbüs mal wegzulesen und sich nicht mehr nach Hanni & Nanni zu sehen, sondern der erwachsenen Realität ins Auge zu blicken und sich zu fragen, ob man den eigenen und anderen Kindern diese Scheisse weiterhin zumuten möchte. Es wird auch Zeit, die Kinder mal ernst zu nehmen ud Kinderbücher als Möglichkeit zu erkennen, mit der sich Kinder die Welt erschließen und sie nicht durch die sehnsüchtig-dumpfbackigen Augen eines Erwachsenen zu betrachten, der oder die sich nach einer verkitschten Kindheit sehn, die eine Erfindung von Erwachsenen ist.

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  2. Was sind Kullerbü-Bücher ?

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  3. Kullerbü-Bücher werden Bücher bezeichnet, die eine heile Welt darstellen, deren Geschichten ohne große gesellschaftliche Probleme auskommen. Der Begriff geht auf den Astrid Lindgrens Kinderbuchroman "Wir Kinder von Kullerbü". Enid Blytons Internatsgeschichten (Dolly-Reihe) sind beispielsweise auch Kullerbü-Geschichten.

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  4. Ich kann das SO unterschreiben, liebe Frau B. Wenn man in einer Bibliothek arbeitet, lernt man das Leseverhalten von Kindern schon sehr gut kennen. Und ich versichere hoch und heilig, das selbst "zu schön" gezeichnete Bilderbücher schon eher die Eltern, als die Kinder ansprechen. Und so verhält es sich auch mit Themen. Kinder WOLLEN eine heile Welt - ob es uns arbeitenden, geschiedenen, gehetzten, mit Problemen vollgepackten Eltern nun passt oder nicht. Ich habe als Kind schon die damals von Eltern und Pädagogen so heiss geliebten Pausewang- und Kordon-Bücher gehaßt und habe lieber Susanne Barden gelesen, ich arbeite trotzdem, habe einen eigenen Willen und einen Hausarbeit (mit)machenden Mann.
    Im Gegenteil, ich behaupte sogar, dass dieser ewige "erhobene Zeigefinger" vom Lesen abhält, weil langweilig - Punkt. Themen wie Scheidung, Streit, Angst, Mobbing etc. haben die Kinder auch im realen Leben. Lesen ist doch Phantasie, Reisen in ferne Welten - ausklinken eben. Und da haben eben alle Kinder gute Freunde (wer will schon lesen, dass Tom aus der Hochhaussiedlung auch keine Freunde hat?), Mütter sind 1. da und 2. können sie kochen (will ich als Kind von abgehetzten Fertiggericht-Müttern lesen?), man spielt tolle Sachen draußen, erlebt Abenteuer, alle Väter sind verständnisvoll, haben aber wenig Zeit ;-) und können Baumhäuser bauen und Fussball spielen, die Welt ist bunt, toll und immer gut gelaubt ... Ja, das will ein Kind lesen.
    HABEN Kinder ein spezielles Interesse oder MÖCHTEN sie zu einem bestimmten Thema etwas lesen, dann kann man immer noch die entsprechende Literatur auspacken :-)

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